Warum sollte es Referenden über den Reformvertrag geben?
Man sollte
zunächst etwas klarstellen: Der EU-Reformvertrag entspricht weitgehend dem
Verfassungsvertrag. Also geht es eher um eine Abstimmung über die EU-Verfassung.
Und da ist die Antwort klar - die Bürgerinnen und Bürger müssen wegen der
gravierenden Folgen für die europäische Integration über dieses Vertragswerk
entscheiden. Die Ratifizierung eines so weitreichenden Dokuments ohne Referenden
würde die Legitimation der EU weiter verringern und der Demokratie in Europa
ernsthaft schaden. Daneben sind wir generell der Ansicht, dass die Menschen
bedeutend mehr zur Entwicklung Europas befragt werden sollten. Wenn man Europa
aufbauen will, muss die Bevölkerung mit ins Boot geholt werden.
Der Bürger kann aber nur mitreden, wenn er weiß, worum es geht. Das ist
bei dem komplizierten Reformvertrag schwierig.
Das ist natürlich eine
Grundkritik am Vertrag. Die Bevölkerung ist der Souverän - und wenn dieser den
Vertrag nicht versteht, muss das Dokument entsprechend abgefasst werden. Zumal
es überhaupt kein Problem wäre, die Eckpunkte zu diskutieren. Es geht nicht
darum, hunderte Seiten mit detaillierten Festlegungen zu kennen. Man könnte aber
sehr wohl auf einer DIN-A4-Seite die Grundfragen, um die es geht, auflisten.
Übrigens haben auch sehr viele Bundestagsabgeordnete, die seinerzeit dem
Verfassungsvertrag zugestimmt haben, nicht gewusst, was dort drin steht, sondern
haben nach Fraktionszwang abgestimmt.
Ist das nicht ebenfalls ein Problem bei Referenden, dass weniger über das
eigentliche Thema entschieden wird?
Das hängt immer von der Qualität der
Diskussion vor dem Referendum ab. Wenn es eine faire Debatte der Lager gibt und
keine Meinungsmanipulation, wie wir sie oft auf Regierungsseite gesehen haben,
kann es sehr wohl eine sachorientierte Entscheidung geben. In den Niederlanden
haben repräsentative Umfragen gezeigt, dass sich das Nein wirklich auf den
Verfassungsvertrag bezog.
Die meisten Regierungen scheinen nicht zu Abstimmungen über die
EU-Verträge bereit zu sein.
So eindeutig lässt sich das nicht sagen. In
Dänemark wird zum Beispiel darüber debattiert, ob mit dem Vertrag
Souveränitätsrechte an die EU abgegeben werden. Sollte dies zutreffen, muss laut
Verfassung ein Referendum stattfinden. Letztlich hängt auch viel davon ab,
inwieweit die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, ihr Recht auf Abstimmung
durchzusetzen.
In der Vergangenheit haben die Regierungen beim »falschen« Ergebnis der
Referenden die Abstimmung wiederholt oder getrickst - wie jetzt bei der
Umetikettierung des Verfassungsvertrags.
Das ist ein bekanntes Muster.
Grob gesagt gibt es politische Zielvorstellungen der »Eliten«, die umgesetzt
werden sollen. Und dazu gehört offensichtlich auch, die Bürger zu
instrumentalisieren, oder, wenn diese eben stören, zu
ignorieren.
Fragen: Uwe Sattler