Wissenschaftlicher Beirat von Attac kritisiert EU-Reformvertrag: "Demokratiefeindlich, neoliberal und militaristisch"
Frankfurt am Main 16.10.2007 - Der Wissenschaftliche Beirat von Attac
Deutschland kritisiert den Entwurf für den so genannten
EU-Reformvertrag, der auf dem EU-Gipfel von Donnerstag bis Freitag in
Lissabon unterzeichnet werden soll. Dabei handelt es sich nach Ansicht
der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Wesentlichen um den
Verfassungsvertrag, der von der Bevölkerung Frankreichs und der
Niederlande per Referendum abgelehnt wurde. Um dieses Vertragwerk
dennoch durchzubringen, seien die Staats- und Regierungschefs auf einen
Trick verfallen: "Nach zweijähriger Denkpause entschloss man sich,
lediglich den Namen zu ändern - an der demokratiefeindlichen,
neoliberalen und militaristischen Substanz wird jedoch festgehalten",
sagte der Ökonom Professor Jörg Huffschmid.
Wirtschafts- und gesellschaftspolitisch werde die Europäische Union
weiterhin auf eine neoliberale Ausrichtung festgelegt. Zu kritisieren
seien insbesondere die einseitige Verpflichtung der Wirtschafts- und
Währungspolitik auf den "Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit
freiem Wettbewerb" sowie die vorrangigen Ziele Preisstabilität und
Haushaltsausgleich. Auch die Militarisierung der Europäischen Union
werde weiter vorangetrieben. "Aufrüstung wird durch den Reformvertrag
zur Pflicht, die Mitgliedstaaten müssen ihre militärischen Fähigkeiten
schrittweise verbessern", kritisierte Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung.
Mit diesem Vertrag würden auch die sozialen Grundrechte nicht gestärkt.
Es werde kein grenzüberschreitendes, EU-weites oder auch nur ein
Streikrecht mit grenzüberschreitender Wirkung geben. Aussperrung
dagegen werde rechtlich geschützt. Der Reformvertrag schaffe kein
demokratisches Europa, das Demokratiedefizit blieb bestehen. Das
Europäische Parlament erhält nicht einmal die gleichen
gesetzgeberischen Befugnisse wie der Ministerrat und wird in vielen und
entscheidenden Bereiche lediglich angehört.
"Statt diesen Vertrag jetzt im Eilverfahren durchzupeitschen, wäre es
sinnvoll, eine breite Diskussion über seinen Inhalt und über mögliche
Alternativen einer demokratischen Verfassung für Europa zu
organisieren", forderte Andreas Fisahn,
Professor für Öffentliches Recht und ebenfalls Mitglied des
Attac-Beirates. Die Regierungen und die EU sollten Mittel für
ausgewogene Informationen von Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung
stellen und eine konsolidierte Fassung des Reformvertrages sowie
Alternativentwürfe aus der Zivilgesellschaft veröffentlichen. Nach
gründlicher Diskussion sollte der Text überarbeitet und den Bürgerinnen
und Bürgern per Referendum in jedem EU-Mitgliedstaat zur Abstimmung
vorgelegt werden.
Der Wissenschaftliche Beirat von Attac ruft die Staats- und
Regierungschefs auf, den EU-Reformvertrag in Lissabon nicht zu
unterzeichnen.
(Alle drei zitierten Wissenschaftler sind Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates von Attac Deutschland)
Für Rückfragen:
Prof. Andreas Fisahn, Tel 0170-752 7569
Anne Karrass, Tel. 0179 - 146 9596
|
|
|
|