Pressemitteilung der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., 19.10.2007 Reformvertrag -
Vertrag von Lissabon - treibt EU-Militarisierung weiter voran
Der in
der gestrigen Nacht verabschiedete Reformvertrag ist ebenso wie sein
Vorgänger, der EU-Verfassungsvertrag, ein militaristischer Vertrag. Mit
ihm soll die rechtliche Grundlage für eine
globale Kriegsführungsfähigkeit der Europäischen Union geschaffen
werden. Die EU-Militarisierung wird weiter vorangetrieben. Im Militärteil ist
er bis in die einzelnen Formulierungen hinein identisch mit
dem EU-Verfassungsvertrag.
So soll die "Gemeinsame Sicherheits-
und Verteidigungspolitik" zum integralen Bestandteil der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik werden. Der Vertrag soll der EU eine auf
"militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen" (Art. 27) außerhalb
der Europäischen Union sichern. Zudem findet sich
die Aufrüstungsverpflichtung auch im neuen EU-Reformvertrag. Im Text
heißt es: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern." (Art. 27) Auch
die EU-Rüstungsagentur soll vertraglich verankert.werden (Art.
27) Weiterhin wird der Weg für eine kerneuropäische militärische
so genannte Strukturierte Zusammenarbeit frei gemacht.
Nicht zuletzt
werden zusätzliche Militärinterventionsbereiche eröffnet: "gemeinsame
Abrüstungsmaßnahmen", "Aufgaben der militärischen Beratung und
Unterstützung" und "Kampfeinsätze". Darüber hinaus wird festgehalten,
mit diesen Militäreinsätzen solle "zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen
werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittländer bei der
Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet." (Art. 28) Weder das
Europäische Parlament (Art. 21,1) noch der Europäische Gerichtshof (Art. 11)
haben ein Mitspracherecht hinsichtlich dieser Einsätze, für
deren Finanzierung schließlich erstmals ein eigener EU-Haushalt
für Militäroperationen – geradezu liebevoll Anschubfonds genannt
– zusätzlich zu den nationalen Budgets etabliert werden soll. (Art.
26)
Damit liefert der Reformvertrag (auch "Vertrag von Lissabon"
genannt) die militärische Ergänzung zur neoliberalen europäischen
Wirtschafts- und Währungspolitik, die ebenfalls weiter fortgeschrieben wird.
Der Vertrag soll am 13. Dezember in der portugiesischen
Hauptstadt endgültig unterzeichnet und anschließend durch die
nationalstaatlichen Parlamente ratifiziert werden. In nahezu allen
EU-Mitgliedstaaten soll die Bevölkerung nicht mehr über den neuen EU-Vertrag
abstimmen können. Ohne öffentliche Debatte - geschweige denn Abstimmung -
sollen somit zentrale Bestimmungen des EU-Verfassungsvertrags
klammheimlich durchgesetzt werden, eine kritische Auseinandersetzung mit
dem Reformvertrag ist deshalb vor diesem Hintergrund umso notwendiger.
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