Europäische Gewerkschaftsjugendliche lehnen EU-Refomvertrag ab. Ein Gespräch mit Arne Brix. Von Wera Richter
»Verfassungsrang für Neoliberalismus«
Sie
waren bis Mitte vergangener Woche als Vertreter der ver.di-Jugend in
Moskau und haben an einer Konferenz der UNI-Europa teilgenommen. Wer
hat sich dort getroffen?
UNI-Europa ist ein Zusammenschluß
europäischer Dienstleistungsgewerkschaften. An der Jugendausschußtagung
nahmen etwa 150 Delegierte aus ganz Europa teil. Es waren über 40
Gewerkschaften von Moldawien bis Island vertreten. Es war ein sehr
politisches Treffen. Zum Beispiel wurde einstimmig eine Entschließung
verabschiedet, daß Rassismus ein Verbrechen ist und wir die
Verantwortung haben, jeder Form von Diskriminierung aufklärerisch
entgegenzutreten.
Auch die ver.di-Jugend hat eine Reihe
von Anträgen eingebracht. Darunter einen gegen den sogenannten
EU-Reformvertrag. Wie haben Sie die Ablehnung des Regelwerks inhaltlich
begründet?
Unsere Kritik hatte drei Schwerpunkte. Wir haben
deutlich gemacht, daß die sozialen und gewerkschaftlichen Grundrechte
in der EU-Grundrechtecharta ausgehöhlt und in ihrer Wirksamkeit
beschnitten werden. Der EU-Reformvertrag, der im wesentlichen die
Substanz aus der gescheiterten EU-Verfassung enthält, ist unsozial.
Soziale Belange und die Beschäftigungspolitik geraten unter die Räder
der ökonomischen Interessen und der Wettbewerbslogik. Der
Neoliberalismus erhält damit Verfassungsrang. Ein weiterer wichtiger
Punkt ist für uns die europäische Aufrüstung. Europäische
Militärinterventionen, die EU-Armee und die Aufrüstungsverpflichtung
der Mitgliedsstaaten lehnen wir ab. Nicht zuletzt fordern wir, daß die
europäische Integration endlich demokratisiert wird. Dazu gehört auch,
daß die Bürgerinnen und Bürger über den Reformvertrag in
Volksabstimmungen befinden müssen.
Was heißt der Beschluß nun konkret für die Arbeit in den einzelnen Ländern?
Wir
können nur hoffen, daß die Einzelgewerkschaften in ihren
Nationalstaaten den Druck auf ihre Regierungen erhöhen, damit diese
Volksabstimmungen zum Vertrag ansetzen. Auch wir von der ver.di-Jugend
werden gegenüber unserer Muttergewerkschaft unseren Einfluß geltend
machen müssen, damit diese sich auch offensiv von prominenter Seite
gegen den Reformvertrag ausspricht.
f:Angenommen wurde auch ein
Antrag der ver.di-Jugend gegen die US-Blockade von Kuba und in
Solidarität mit kubanischen Gewerkschaftern.
Dieser Antrag sollte
ein erster Schritt sein, weitere Aufmerksamkeit auf Kuba zu lenken.
Damit in Zukunft noch mehr europäische Gewerkschaften solidarisch mit
den kubanischen Gewerkschaftern zusammen arbeiten. Die
UNI-Europa-Jugend hat außerdem die Verfolgung, Mißhandlung, Entführung
und Ermordung von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in aller Welt
auf das schärfste verurteilt.
Was bedeutet der Solidaritätsantrag für Kuba für die ver.di-Jugend? Haben Sie konkrete Vorhaben geplant?
Ich
denke schon seit längerer Zeit darüber nach, eine Jugenddelegation nach
Kuba zu organisieren, um möglicherweise dort ein Solidaritätsprojekt zu
starten. Es könnte von einem Netzwerk aus Gewerkschaften, Parteien und
Jugendverbänden getragen werden. Da ich auch Mitglied der Partei Die
Linke und deren Jugendverbands bin, werde ich in den nächsten Wochen
auch dort versuchen, Gespräche zu führen. Unterstützung gibt es schon
von der kubanischen Botschaft und von Cuba Si.
Ein
weiterer Antrag, der aus Norwegen gestellt wurde, sprach sich für die
Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen
Gewerkschaftsjugenden sowie sozialistischen Jugendorganisationen und
Parteien aus. Wer ist gemeint?
Schwerpunkt dieses Antrages
war es, die Zusammenarbeit von der UNI-Europa-Jugend mit Netzwerken wie
ENDYL (European Network of Democratic Young Left) oder der PSI (Public
Services International) zu intensivieren und auf nationalstaatlicher
Ebene die Kooperation mit linken Parteien, die die Interessen der
Arbeiterinnen und Arbeiter vertreten, zu suchen.
Arne Brix ist Mitglied von ver.di und war Delegierter der Jugendausschußtagung von UNI-Europa
(Quelle: Tageszeitung junge Welt, 13.10.2007)